Montag, der 21. September 2015

Kloster, Kaiser & Gelehrte

Skriptorium und Bibliothek des Augustiner-Chorherrenstiftes Klosterneuburg im 15. Jahrhundert

Die Ausstellung „Kloster, Kaiser und Gelehrte“ widmet sich der großen Zeit der Klosterneuburger Stiftsbibliothek im Spätmittelalter, die damals eine berühmte Buchmaler-Schule aufwies. Ihre Blüte hängt mit den regen Beziehungen zum Wiener Hof und zur 1365 gegründeten Universität Wien zusammen.

Gezeigt wird eine Auswahl der schönsten Bücher aus der Stiftsbibliothek, die von den Meistern Nikolaus und Michael, dem Meister des Albrechtsgebetsbuches sowie anderen “Wiener Hofminiatoren” im 15. Jahrhundert illustriert wurden. Das wegen seiner enormen Größe nur selten gezeigte “Klosterneuburger Riesenantiphonar” in vier Bänden –  einer der Höhepunkte der spätmittelalterlichen Buchkultur – wird in seiner Gesamtheit präsentiert. Dieses Buch vor Augen sangen die Chorherren damals in der Stiftskirche den Gregorianischen Choral.

Zur Eröffnung der Ausstellung durch Abtprimas Propst Bernhard Backovsky kamen über 200 Gäste aus Kultur, Wirtschaft und Politik. Die Eröffnungsrede hielt in Vertretung des NÖ. Landeshauptmanns der Abgeordnete zum NÖ. Landtag DI Willibald Eigner.

Die Ausstellung ist von der Kunsthistorikerin Dr. Maria Theisen von der Abteilung für Schrift- und Buchwesen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) kuratiert. Sie ist Teil einer internationalen Ausstellungsreihe zur gotischen Buchmalerei, die von Prof. Jeffrey Hamburger an derUniversity of Harvard und dem Handschriftenzentrum Leipzig konzipiert wurde. Weitere Ausstellungsorte werden der Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek, das Dommuseum Salzburg und die Universitätsbibliothek Graz, die Studienbibliothek Linz und weitere sieben Bibliotheken in Deutschland, Tschechien und der Schweiz sein.

Ausstellungdauer:   15.09.2015 – 30.06.2016
Freie Besichtigung: Samstag, Sonn- und Feiertag von 14.00 – 17.00 Uhr, Tickets: EUR 11,- / Person
Geführte Besichtigung: jederzeit, nach vorab erfolgter Anmeldung (ab 5 Personen)

Foto 1:   Geschäftsführer Augarten Porzellan Dr. Fritz Panzer, Generaldirektorin der Österreichischen Nationalbibliothek
Dr. Johanna Rachinger, Abtprimas Propst Bernhard Backovsky, Kunsthistorikerin Dr. Maria Theisen,
Stiftskustos Dr. Nicolaus Buhlmann

Foto 2:   Kunsthistorikerin Dr. Maria Theisen, Bürgermeister Klosterneuburg Mag. Stefan Schmuckenschlager,
Abtprimas Propst Bernhard Backovsky, Stiftskustos Dr. Nicolaus Buhlmann

                Copyright Stift Klosterneuburg, Abdruck honorarfrei

Weitere Fotos zur Ausstellung finden Sie im Presse Bildarchiv: www.stift-klosterneuburg.at/presse/bildarchiv/

Presse-Rückfragen:
Walter Hanzmann
Stift Klosterneuburg – Pressesprecher
T: +43 2243 411-182, M: +43 676 / 447 90 67
E: presse@stift-klosterneuburg.at
PRPlus GmbH
Charlotte Ludwig
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Das Stift Klosterneuburg wurde 1114 gegründet und 1133 den Augustiner Chorherren übergeben, um ein religiöses, soziales und kulturelles Zentrum zu bilden. Das Stift ist heute ein wichtiges kulturtouristisches Ziel, eine religiöse und soziale Institution und ein bedeutender Wirtschaftsbetrieb. Es besitzt unter anderem das älteste und eines der renommiertesten Weingüter Österreichs.  –   www.stift-klosterneuburg.at

KLOSTER, KAISER & GELEHRTE

Skriptorium und Bibliothek des Augustiner-Chorherrenstiftes Klosterneuburg im 15. Jahrhundert.

Die Ausstellung Kloster, Kaiser und Gelehrtewidmet sich der großen Zeit der Klosterneuburger Stiftsbibliothek im Spätmittelalter, deren Blüte unmittelbar mit den regen Beziehungen zum Wiener Hof und zur 1365 gegründeten Wiener Universität in Beziehung steht.

Das Augustiner-Chorherrenstift Klosterneuburg nimmt seit seiner Gründung im 12. Jahrhundert eine herausragende Stellung in der österreichischen Klosterlandschaft ein.Als Hauskloster der Babenberger vom Markgrafenpaar Leopold III. (um 1075–1136) und Agnes von Waiblingen (1072–1143) direkt neben ihrer Hauptburg gestiftet, war es während des ganzen Mittelalters mit dem religiösen, politischen und geistigen Leben in Österreich eng verbunden.

Auch die Habsburger suchten die Nähe zur alten Babenbergerstiftung, die als religiöses und intellektuelles Zentrum bis zum Ende der Donaumonarchie in guten Beziehungen zum landesfürstlichen Hof und auch zu den gebildeten Eliten in Wien stand.

Für das Herzogtum Österreich war das ganze 15. Jahrhundert eine politisch unsichere Zeit. Der Landfriede konnte nur selten durchgesetzt werden, es kam zu Plünderungen und bürgerkriegsähnlichen Zuständen. Einer der Gründe für die politischen Konflikte um die Frage der Vormundschaft für den 1397 geborenen Herzog Albrecht V. Sie Familie der Habsburger hatte sich 1379 in die „Leopoldinische“ und „Albertinische“ Linie gespalten und die Vertreter beider Zweige versuchten die politischen Eliten in ihre Lager zu bringen. Die Situation eskalierte 1411 so weit, dass der junge Albrecht von Vertretern der Stände entführt und für volljährig erklärt wurde. Seinen Onkel Leopold soll daraufhin der Schlag getroffen haben.

Der Albrecht V. versuchte die Verhältnisse im Land zu ordnen und stützte seine Herrschaft dabei auch auf die Kirche. Er beauftragte den Wiener Theologen und Kirchenpolitiker Nikolaus von Dinkelsbühl, Reformen in den Benediktiner- und Augustiner-Chorherrenstiften vorzubereiten und veranlasste Visitationen in den alten Klöstern. In Klosterneuburg wurde der Reformer Georg Muestinger als Propst eingesetzt, der Wert auf Bildung und Disziplin legte und das Stift wirtschaftlich sanierte.

So kam es in den Zeiten der Krise zu aufwändigen Investitionen in die Bibliothek und es folgte ein religiöser, wissenschaftlicher und kultureller Aufschwung, der bis heute in der Büchersammlung der Stiftsbibliothek sichtbar ist.

BIBLIOTHEK GELEHRTER CHORHERREN

Als die Universität Wien, an der viele Chorherren studierten und unterrichteten, im Jahr 1365 gegründet wurde, begann für die Stiftsbibliothek eine neue Ära des Büchersammelns. Auch die von den Klöstern Raudnitz und Melk ausgehenden Reformbewegungen, die die Pflege der Wissenschaften als Aufgabe der Klöster sahen, wirkten sich positiv auf die Sammeltätigkeit aus.

Die dominierende Persönlichkeit des 15. Jahrhunderts war Propst Georg Muestinger (1387–1442), der für seine Studien eine ansehnliche Sammlung astronomisch-mathematischer Werke zusammengetragen hatte. Er gehörte zum Kreis um den Mathematiker und Astronomen Johannes von Gmunden, der an der Universität unterrichtete und im Zentrum der ‚Ersten Wiener Astronomischen Schule‘ stand. Die Chorherren Wolfgang Winthager und Johannes Schwarcz korrespondierten sogar mit dem Humanisten und späteren Papst Pius II., Enea Silvio Piccolomini. Auch das Studium antiker Autoren wurde im Stift betrieben: So ist neben den Abschriften der Lustspiele des Terenz eine der ersten gedruckten Ausgaben der Naturenzyklopädie des Plinius nördlich der Alpen vorhanden.

CHORFRAUEN

Im Mittelalter gab es in Klosterneuburg neben den Chorherren auch zwei Chorfrauenstifte. Das ältere und bedeutendere war der hl. Magdalena geweiht, lag im Südosten des heutigen Stiftsareals und bestand bis 1568. Als Gründerin wurde Agnes, die Frau Leopolds III., betrachtet, wenngleich die Klosterneuburger Stiftung wohl schon ursprünglich einen Doppelkonvent von Männern und Frauen vorsah.

Wahrscheinlich wegen der großen Nachfrage ist ab dem Jahr 1261 ein weiteres Chorfrauenkloster zu St. Jakob, nahe der Kirche von St. Martin in der unteren Stadt, nachweisbar. Das Kloster stand spätestens im Jahr 1432 leer und ging in das Eigentum des Chorherrenstiftes über.

Die Chorfrauen wählten ihre Vorsteherinnen selbst, bestätigt wurden sie vom Propst des Chorherrenstiftes. Dieser war auch der Oberste des Frauenstiftes und ernannte einen seiner Chorherren zum Kustos, der für die Seelsorge der Frauengemeinschaft und die Gottesdienste verantwortlich war. Der erste namentlich bekannte Kustos ist der auch als Bibliothekar tätige Albertus Saxo, der um 1280 als custos librorum et dominarum (Hüter der Bücher und Frauen) erwähnt wird.

STREIT UM KRONE UND KLOSTER

Als Kaiser Friedrich III. nach dem Tod seines Mündels Ladislaus († 1457) Anspruch auf die ungarische Krone erhob, kam es zu schweren Konflikten, im Zuge derer der ungarische König Matthias Corvinus Klosterneuburg eroberte und 1483 besetzte. In dieser Zeit kam der ‚Meister des Friedrichsbreviers‘ aus Olmütz nach Wien, wo er um 1475 ein Brevier für Friedrich III. illuminierte und danach mehrmals für Stift Klosterneuburg arbeitete.

HEILIGSPRECHUNG

Einzig die Heiligsprechung Leopolds III. lag im Interesse beider Kontrahenten. Die bereits um 1358 eingeleitete Kanonisation wäre ohne deren stetes Engagement – Matthias stiftete noch 1484 die enorme Summe von 2.200 Gulden – gescheitert. Papst Innozenz VIII. stellte schließlich am 6. Jänner 1485 die Kanonisationsurkunde aus.

Die Heiligsprechung des Babenbergers inspirierte zu zahlreichen Werken, die die Geschichte der Dynastie mit jener des Landes Österreich verbanden. Im Stift beauftragte man den Humanisten Ladislaus Sunthaym aus dem Kreis der Genealogen Maximilians I. mit der Erstellung eines Babenberger Stammbaums. Die Ergebnisse seiner genealogischen Arbeiten wurde 1491 auf bemalten Pergamenttafeln beim Leopoldsgrab ausgehängt und im selben Jahr in Basel gedruckt. Sie ist damit die erste im Druck erschienene Geschichte Österreichs.

BUCHKUNST FÜR KLOSTERNEUBURG

Das 15. Jahrhundert – das Jahrhundert Gutenbergs – gilt als Blütezeit der Buchkunst in Klosterneuburg. Die im Skriptorium angefertigten Bücher wurden hier mit Buchschmuck und schönen Einbänden ausgestattet. Darüber hinaus sind ab Einsetzung des Propstes Georg Muestinger (1418–1442) vermehrt Buchkäufe und Aufträge für teure Illuminationen zu verzeichnen. Deren Ausführung übernahmen Künstler, die auch für den Wiener Hof arbeiteten, so u. a. der Meister Michael und der ‚Albrechtsminiator‘, der für die Chorherren und -frauen gleichermaßen wie für Herzog Albrecht V. und Kaiser Friedrich III. arbeitete.

Auch die Pröpste Simon Haindl (1451–1465) und Johannes Hechtl (1465–1485) wandten sich mit ihren Aufträgen an Hofkünstler, vor allem an den für den jungen Prinzen Maximilian tätigen ‚Lehrbüchermeister‘. Unter Propst Jakob Paperl (1485–1509) begann das Stift die ersten Inkunabeln anzukaufen. Er ließ sie von den besten Künstlern seiner Zeit bemalen, etwa vom ‚Meister des Friedrichsbreviers‘ oder von Ulrich Schreier aus Salzburg. Dessen Wiener Werkstatt schuf nicht nur Buchmalereien, sondern auch kunstvolle Einbände und beeinflusste die Buchkunst im Donauraum ab 1470/80 ganz wesentlich.